Mit Latte Macchiato und MacBook: Wie Start-ups
die Arbeitswelt revolutionieren

Von Lena Schiller Clausen und Christoph Giesa

Keine Frage: Start-ups wirbeln seit einiger Zeit die Märkte durcheinander.
Sie etablieren sich in Nischen, die es früher noch gar nicht zu geben schien.
Sie finden Lösungen für Unzulänglichkeiten, die früher niemand bemerkte,
geschweige denn, sich daran störte. Und sie beeinflussen mit ihren neuen
Services und Produkten nachhaltig unseren Alltag. Daran haben wir uns
längst gewöhnt. Was aber übersehen wird: Mit ihrem Erfolg verändern sie
ganz nebenbei auch noch die Regeln des Arbeitsmarkts – und nehmen
damit Einfluss auf ganz fundamentale Fragen der Gesellschaft. Immer mehr
junge Nachwuchsarbeitskräfte streben in die Gründerszene, anstatt in
Konzernzentralen, Unternehmensberatungen oder Investmentbanken zu
arbeiten. Sie kehren damit Jobs den Rücken, die noch vor Kurzem als
besonders attraktiv galten, weil sie steile Karriereleitern und außerordentliche Verdienstmöglichkeiten versprechen. Doch die Bedürfnisse, die Arbeit
heute befriedigen soll, gehen schon seit einiger Zeit weit darüber hinaus –
viel mehr noch: Sie haben sich grundlegend verändert. Aus seiner Arbeit will
der Mensch mehr denn je einen großen Teil seiner Identität schöpfen. Sie
bietet Ausdrucksmöglichkeiten für seine Kreativität, vermittelt die Anerkennung anderer, hilft Wirksamkeit zu entfalten und schafft Möglichkeiten zu sozialen Kontakte. Dazu gesellt sich seit Kurzem die Forderung,
authentisch und im Einklang mit dem eigenen Wertesystem agieren zu
dürfen. Und solange derartige Arbeitsstellen dünn gesät sind, kreieren sich
junge, gut ausgebildete Arbeitnehmer ihre Traumjobs eben selbst.

Alles, nur kein Hype

Nun schauen die etablierten Player natürlich nicht lange tatenlos diesem bunten
Treiben zu. Dennoch gehen ihre Bemühungen meist noch nicht über Marketinggags
und eine lockere Homeoffice-Regelung hinaus. Wohl auch deshalb, weil die neuen
Anforderungen an den Arbeitsplatz, an die Führung und die Art der Zusammenarbeit von den großen Arbeitgebern noch als Modethema, als Hype missverstanden
werden, der «irgendwas mit dem Internet» zu tun hat. Jeder, der allerdings etwas
tiefer in die Materie eintaucht, kommt schnell zu der Erkenntnis, dass diese Entwicklung so fundamental ist, dass sie lieber nicht ignoriert werden sollte.

Open Source: Blaupause für erfolgreiches vernetztes Arbeiten

Um das Gesagte greifbar zu machen, lohnt ein Blick in ein durchaus exotisches
Arbeitsumfeld, in dem viele Menschen gemeinsam Arbeit organisieren und
Ergebnisse erzielen – ohne von Profitmaximierung angetrieben zu sein und dabei
doch zugleich von weitaus mehr als einer intrinsischen oder altruistischen Motivation: Open-Source-Projekte. Doch was bewegt Menschen, die Früchte ihrer Arbeit
gratis zur Verfügung zu stellen? Zwei Open-Innovation-Forscher, Benbya und
Belbaly, finden in ihrem Buch «Successful OSS Project Design and Implementation»
Antworten: Die Motivation liegt zunächst in der Möglichkeit, zu einem großen
Ganzen beizutragen, was zugleich mit einem Gefühl von Sinnstiftung einhergeht.
Außerdem bekommt der Entwickler die Chance, seine Fähigkeiten bei einer relevanten
Peergroup sichtbar zu machen. Zum emotionalen Wert der Zugehörigkeit zu einer
Gruppe von Gleichgesinnten gesellt sich noch eine weitere persönliche Motivation:
das Ausleben der eigenen Kreativität. Durch die Selbstorganisation von Arbeit
und die ganz eigene Festlegung von Ergebnissen kann jeder Teilnehmer eine optimale
Balance zwischen seinem Können und der Aufgabe herstellen und als Herausforderung gestalten. Das bietet ihm einerseits die Möglichkeit, neue Fähigkeiten einzuüben
und von anderen korrigieren zu lassen. Andererseits kann er für schon vorhandene
Kompetenzen, die er in das Projekt zielführend einbringt, mit der Anerkennung von
Gleichgesinnten rechnen, für die es in der komplexen und beweglichen Welt der
mobilen, autonomen Arbeitsnomaden ansonsten kaum mehr Instanzen gibt. Weit
wichtiger als die Weiterentwicklung der Fachkompetenz ist aber das Einüben von
Fähigkeiten wie proaktives Kommunizieren, konstruktives Feedback und das Teilen
von Wissen, ohne die eine aktive Beteiligung an einem Open-Source-Netzwerk
schlicht unmöglich wäre. Für die Teilnahme an Projekten, die nicht zentral gesteuert
sind, qualifiziert man sich ausschließlich durch sein Engagement. Und nur dieses
hohe Maß an Eigeninitiative aller Beteiligten gewährleistet erst das Überleben und
die Weiterentwicklung des Gesamtprojekts.

Employability als Lohn für Mitarbeit im Open-Source-Projekt

Für den einzelnen Teilnehmer bedeutet vor allem seine Kompetenzentwicklung
im Laufe des Projekts eine Investition in das eigene Humankapital und damit in
die eigene Employability – die Beschäftigungsfähigkeit – wie der deutsche Ökonom
Birger P. Priddat in «Organisation als Kooperation» feststellt. So werden ideelle
Aspekte um wirtschaftliche Potenziale ergänzt. Denn mit der Teilnahme an
Open-Source-Projekten verändert sich auch die berufliche Entwicklung des
Einzelnen – weg von der vordefinierten Karriereleiter aus Stellenbeschreibungen hin
zu einer breiten Landschaft von Möglichkeiten. Hier initiiert jeder seine eigenen
Projekte oder bringt sich möglichst sichtbar in Projekte ein, die er anschließend als
Sprungbrett für das nächste Projekt nutzen kann. Dass diese Art der Selbstorganisation von Arbeit und Projekten übrigens nicht auf webbasierte Projekte beschränkt
ist und damit auch nicht ganz neu ist, zeigt ein Blick auf die Arbeitsstrukturen der
darstellenden Kunst: Theaterschauspieler bewegten sich ebenso wie Filmschaffende
schon immer in genau solchen Projektnetzwerken.

Im Zeitalter des Netzwerkkapitalismus

Das Bedürfnis, das Verhältnis des Einzelnen zu seinem Arbeitsumfeld derart vernetzt zu gestalten, ist nicht auf die neuen Medien und auf Open-Source-Projekte
beschränkt. Aber es ist ebenso wenig allein im Individuum verankert, sondern wird
schon länger als Anspruch auch von klassischen Arbeitgebern formuliert. Es handelt
sich um nichts weniger als eine Begleiterscheinung der Weiterentwicklung unseres
Wirtschaftssystems. Unsere Marktwirtschaft begann als «Familienkapitalismus»,
der seinen Ausgang im 19.Jahrhundert nahm und sich vor allem durch bürgerliches
Unternehmertum in Form kleiner Familienbetriebe auszeichnete – wie die französischen Soziologen Chiapello und Boltanski in «Der neue Geist des Kapitalismus»
beschreiben. Mit der Ausprägung der Massenproduktion sowie den sich stetig
verbessernden Transport- und Kommunikationsmöglichkeiten folgte ab dem Beginn
der 1930er-Jahre die Phase des «Konzernkapitalismus». Weltweit agierende Großorganisationen mit komplexen Strukturen prägten die Wirtschaftslandschaft.
Schließlich kam die Phase des sich seit der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre durchsetzenden «Netzwerkkapitalismus», der heute aktueller ist denn je. Geprägt durch
vernetzte Unternehmen, die Ausbreitung des Internets und die Globalisierung der
Finanzen sind die Anreizstrukturen dieser Zeit: ständiger Wandel, Innovation, Kreativität, Mobilität und Vernetzungsfähigkeit. Das Besondere dieser Phase ist, dass die
gesellschaftliche und persönliche Motivation des Einzelnen immer wichtiger
für das Funktionieren des marktwirtschaftlichen Systems wird.

Das selbstverwirklichende Ich im Mittelpunkt

Diese Entwicklung geht zugleich einher mit einem typischen Mechanismus, der
Veränderungen in gesellschaftlichen Systemen initiiert und treibt: Die Kritik der
Gesellschaft am bestehenden System. Im Falle der Entwicklung vom Konzern- zum
Netzwerkkapitalismus beschreiben Chiapello und Boltanski zwei Formen der Kritik:
Sozialkritik und Künstlerkritik. Die Sozialkritik wurde von den Organisationen der
Arbeiterbewegung getragen, die den Kapitalismus als Quelle von Ausbeutung
und Ungleichheit sahen. Durch entsprechende Neustrukturierungen der Arbeitswelt
in den 1970er- und 1980er-Jahren gelang es, die Sozialkritik weitestgehend gegenstandslos zu machen. Dann gab es die Künstlerkritik, deren Träger Intellektuelle
und Künstler waren. Sie richtete sich gegen Normierungstendenzen, Entfremdung
und kühle Bilanzierung, die die Entfaltung, Kreativität, Authentizität, Individualität
des Einzelnen und die Vielfältigkeit in der Gesellschaft einschränken würden. Das
eigenverantwortliche, sich selbst verwirklichende, unabhängige Individuum in
den Mittelpunkt rückend, erwirkte die Künstlerkritik ein neues Verständnis und eine
Befürwortung neuer Arbeitsplatzstrukturen und Unternehmensorganisationen,
geprägt von Mechanismen wie Mitsprache, Mitgestaltung, Selbstorganisation und
Vertrauen statt Kontrolle.

Netzwerkkreise statt Hierarchiepyramiden

Wer schon vor oder beim Einstieg in sein Arbeitsleben so sozialisiert wurde, wird sich
auf die Suche nach einem Arbeitsplatz begeben, der seiner Netzwerkkompetenz,
Mobilität, Verfügbarkeit und seiner Vielzahl von Kontakten gerecht wird. Die Suche
nach Möglichkeiten zur Anwendung seiner Netzwerkfähigkeiten lässt ihn andere
Berufswege beschreiten als das Erklimmen steiler Leitern in den Managementetagen
von Großorganisationen. Wer in Google-Circles oder Twitter-Listen denkt, immer
der Mittelpunkt seines eigenen Netzes und einer Vielzahl von Organisationsdiagrammen ist, die nie Pyramiden, sondern immer Kreisen gleichen, ist selbstverständlich
sein eigener Chef und erwartet das auch von allen anderen. Er hat sich in diversen
selbst initiierten Projekten daran gewöhnt, mit sofortiger Wirkung etwas umsetzen
zu können. Wer auch in seiner Erwerbsarbeit auf diese Weise etwas bewegen will,
der gründet daher selbst. Wenn Selbstständigkeit bis vor einigen Jahren noch
bedeutete, dass man viel alleine arbeitete, so bieten heute virtuelle und reale Netzwerke, Projektgruppen und Gemeinschaftsbüros genau die Strukturen für die
notwendige Vielfalt an Kooperationsmöglichkeiten und den täglichen Kontakt zu
Gleichgesinnten, die man braucht, um Wirksamkeit zu entfalten. In den eigenen
Unternehmen werden Karriere, Hierarchien und Business und die Fähigkeit zu
managen neu definiert. Nicht Untergebene werden gesteuert, sondern Märkte,
Aufgaben und Inhalte, Kooperationen mit Mikrounternehmern, Netzwerke aus
Kunden und gleichgestellten Mitgründern.

Fluide Organisationsstrukturen als Überlebensstrategie

Im Überlebenskampf der ersten Jahre – oft von Ressourcenknappheit und der
Volatilität neu entstehender Märkte bestimmt – etablieren Start-ups immer neue
Strukturen und Mechanismen. Bei dem 2012 gegründeten Unternehmen finmar
wird das sehr deutlich: Finmar ist eine Crowdlending-Plattform für Kredite bis
25000 Euro, wo viele Privatanleger gemeinsam Geld an konkrete Projekte von
Unternehmern verleihen können – wie ein klassischer Bankkredit, nur eben
crowdbasiert.
Um den diversen und vielfältigen Stolperfallen eines solch komplexen Vorhabens
möglichst gut gewappnet entgegenzutreten, suchte Gründer Clas Beese einerseits
nach einer Vielzahl von Mitarbeitern mit unterschiedlichsten Kompetenzen und
unterschiedlichstem Fachwissen, andererseits nach einer Organisationsstruktur, die
einen agilen Umgang mit den Ressourcen ermöglichte. Mittlerweile arbeiten
weit mehr als ein Dutzend Leute intensiv, aber jenseits einer Festanstellung in einer
dynamischen, netzwerkartigen Struktur aus Selbstständigen und kleinen Firmen
an der Umsetzung der Geschäftsidee. Alle Mitwirkenden organisieren ihre Aufgaben
und Ergebnisse selbst und koordinieren dabei ebenfalls eigeninitiativ die Schnittstellen zu den anderen Teammitgliedern. In einem derart fluiden Team ermöglicht
erst ein hohes Maß an Kommunikationsfähigkeit eine effiziente und erfolgreiche
Zusammenarbeit. Wie auch im Open-Source-Projekt ist im Start-up die Motivation
des Einzelnen zur Höchstleistung die Anerkennung durch die Teamkollegen, denn
die bedeutet zugleich Einflussnahme auf das Gesamtprojekt. Das ist eine äußerst
effektive, dabei aber positiv wahrgenommene Form der Konkurrenz, denn die Erweiterung des Einflussbereichs des Einzelnen im gleichberechtigten Team
funktioniert nur dann, wenn alle anderen es zulassen. Und so hängt auch
die Vergütung der einzelnen Mitarbeiter bei finmar von der Leistung des Gesamtteams ab: Jeder bekommt einen festgelegten Anteil am Gewinn, den das
Unternehmen erwirtschaftet.

Netzwerkstruktur als Strategie für reibungsloses Wachstum

Wie die Strukturen und Mechanismen der Open-Source-Bewegung und der Start-ups
auch in etablierten Unternehmen gut funktionieren und zum Wettbewerbsvorteil
werden können, zeigt sich zum Beispiel im amerikanischen Unternehmen Automattic Inc., dem kommerziellen Arm der beliebten Blogsoftware WordPress, die derzeit
die Grundlage für ca. 20 Prozent aller Internetseiten weltweit bildet. Rund um
den Gründer Matt Mullenweg und den gebürtigen Schweizer und CEO Toni Schneider arbeiten inzwischen weit mehr als 200 Mitarbeiter, im Hauptquartier im Silicon
Valley ist aber gerade einmal Platz für 20 von ihnen. Die dezentrale Struktur ihrer
über 28 Länder auf der gesamten Welt verteilten Arbeitskraft hat als Ausgangspunkt das Produkt, das schon vor der Gründung des Unternehmens als Open Source
von der WordPress Foundation betrieben wurde. Bis heute arbeiten viele dieser
Entwickler aus der ganzen Welt ohne Bezahlung zusammen – nur des Lerneffekts
wegen und aus Interesse am Produkt. Aus eben diesem Kreis der Open-SourceEntwickler rekrutieren die Gründer seit 2005 auch die Mitarbeiter von Automattic.
Bei der Gründung des kommerziellen Arms der Software war es den Gründern
also besonders wichtig, ihren Mitarbeitern ein Umfeld zu bieten, dass dem der OpenSource-Bewegung besonders nah ist. Bis heute leistet sich Automattic eine Struktur,
die den Start-up-Spirit, die offene Kultur und die Agilität des Unternehmens auch
bei fortschreitender Professionalisierung bewahrt. Die Lösung liegt in der Netzwerkstruktur, die das Organisationsdiagramm des Unternehmens bildet. Statt in Abteilungen ist die Automattic-Mannschaft in kleinen Teams organisiert, die in sich geschlossen
wie kleine Unternehmen funktionieren können, weil ihnen alle notwendigen Kompetenzen und Beschlussmöglichkeiten eingeräumt werden, um eigenständig handlungsfähig zu sein. Die Zusammensetzung der einzelnen Teams erinnert an die Anfangstage von Automattic: Jedes Team ist so aufgestellt, dass es alles machen kann, was
notwendig ist, um Codes zu schreiben und zu veröffentlichen, ohne dabei von
jemandem anderem im Unternehmen abhängig zu sein.

Freiwilligkeitsprinzip statt Befehlsmacht

Ein weiteres Beispiel, wie sogar arrivierte Unternehmen von Start-up-Strukturen
profitieren können, ist die partake AG – eine Unternehmensberatung aus Berlin,
die sich mit der Arbeitswelt der Zukunft, New Management und Innovation
auseinandersetzt. Partake ist im letzten Jahr durch einen radikalen Transformationsprozess gegangen und hat sämtliche formalen Unternehmensstrukturen durch
einen internen Projektmarkt ersetzt – und Führung und Kontrolle durch das Freiwilligkeitsprinzip. Bis April 2013 hieß das 1998 gegründete Unternehmen «E&E information consultants AG» und beschäftigte sich hauptsächlich mit der Prozessoptimierung im Personalbereich.
Heute wird bei partake nach dem Freiwilligkeitsprinzip gearbeitet: Wer bei welchem
Projekt in welcher Rolle mitmacht, bestimmt jeder Mitarbeiter selbst. Ihre Zusammenarbeit und die Inhalte ihrer Projekte organisieren die Kollegen untereinander.
Für eine gemeinsame Struktur sorgt dabei ein in verschiedene Phasen eingeteilter
Kernprozess – von der Konzeption über das Prototyping bis hin zum Markteintritt.
Das Portfolio der Ideen und Projekte spiegelt heute einerseits die Ressourcen, Interessen und Talente der Mitarbeiter wider und wird andererseits durch die Filterfunktion des internen Projektmarkts schon frühzeitig auf eine gewisse Relevanz abgeklopft.
Eine Konsequenz daraus ist, dass das Unternehmen zunehmend aus eigener
Initiative auf potenzielle Kunden zugeschnittene Produkte und Dienstleistungen
anbietet.

Wandel als Chance für Mitgestaltung begreifen

Während der im Konzernkapitalismus etablierte und sozialisierte Erwerbstätige
noch an Werten wie Effizienz und fachliche Kompetenz festhält und das grenzenlos
vernetzte Arbeiten eher als bedrohlich wahrnimmt, rückt derzeit eine Generation
auf den Arbeitsmarkt nach, die diese Form der Entwurzelung und den Mangel
an Struktur als ihre Chance begreift. Dass es sich hier nicht um Zweckoptimismus,
sondern tatsächlich um ein neues Weltverständnis handelt, zeigt sich daran,
dass auch fest angestellte Mitarbeiter ihre Arbeit zunehmend netzwerkeingebettet
gestalten. Die Grenzen von Unternehmen öffnen sich an der Peripherie und
verschwimmen nach außen mit den Netzwerken der Mitarbeiter. Wo für klassische
Unternehmen durchaus große Berührungsängste und Abschottungstendenzen
bestehen, liegt eine große Chance verborgen. Indem man den Mitarbeitern
die Freiheit gibt, sich über die Unternehmensgrenzen hinweg zu vernetzen und
zu kommunizieren, kann das Unternehmen die Netzwerke der Mitarbeiter sowie
die dort akkumulierten Erfahrungen, die Kompetenzen und das Wissen nutzen.
Viel wichtiger aber: Durch die Anerkennung der Netzwerkkompetenz kann es
seine gut ausgebildeten, aber hochmobilen Mitarbeiter wieder an sich binden.